Am vergangenen Montag (24.2.) kam es bei Fredheim im Tempelfjord zu einer Begegnung zwischen einem Eisbären und einer Touristengruppe. Nun wurden in einem Beitrag in Svalbardposten Details bekannt, die verdeutlichen, dass der Vorfall dramatisch verlief und nur mit Glück keine Menschen zu Schaden kamen und der Eisbär auch nicht.
Fredheim letzte Woche Mittwoch, zwei Tage nach der gefährlichen Begegnung.
Die Gruppe war auf einem Tagesausflug mit Motorschlitten von Longyearbyen unterwegs und hatte Fredheim erreicht und sich dort zur Essenspause bereit gemacht. Laut Aussage eines beteiligten französischen Touristen tauchte der Eisbär plötzlich nur zwei oder drei Meter von der Gruppe entfernt auf.
Der folgende Handlungsverlauf ist nicht im Detail öffentlich bekannt, aber laut Zeugenaussagen ist eine Frau beim Weglaufen hingefallen und kurz darauf hatte der Bär die liegende Frau erreicht und stand mit einer Pfote auf ihrem Rücken. Er soll sich jedoch nicht aggressiv verhalten und nicht versucht haben, die Frau oder andere Personen anzugreifen. Der Franzose Antoine Terrones beschrieb das Verhalten des Eisbären laut Svalbardposten mit diesen Worten: „Ich habe nicht wahrgenommen, dass das ein Angriff war, es war nicht, als ob der Bär hungrig und zielgerichtet war. Er wirkte entspannt, hob den Kopf, als ob er Witterung aufnahm und ging langsam auf uns zu.“
Dann aber begann der Bär schneller zu laufen und nahm die Verfolgung der Frau auf, die kurz darauf mit einer Bärenpfote auf dem Rücken am Boden lag.
Zu dieser Zeit wurde von den Guides mit Signalpistole und Gewehr geschossen, um den Bären zu vertreiben, was auch gelang. Ein Guide soll sich mit Gewehr bereitgehalten haben, um den Bären zu erschießen, aber bevor es dazu kam, wurde das Tier von einem Schuss mit einer Knallpatrone aus einer Signalpistole vertrieben. Unter weiteren Schreckschüssen bewegte der Bär sich daraufhin von der Gruppe weg.
In der Nähe befand sich noch eine weitere Touristengruppe, deren Guides sich zwischenzeitlich mit Signalpistole und Gewehr bereitgemacht hatten.
Das ganze Geschehen verlief innerhalb weniger Augenblicke.
Sobald die unmittelbare Gefahr vorüber war, fuhr die Gruppe nach Longyearbyen zurück und verständigte den Sysselmester. Alle unmittelbar Beteiligten trafen daraufhin ein Krisenteam, um den Schock zu verarbeiten. Laut dem Zeugen Terrones waren einige Beteiligte von dem Geschehen „stark geprägt“, und die Gespräche mit dem Krisenteam waren bei der Verarbeitung sehr hilfreich.
Fredheim mit Eisbär (das Foto entstand vor längerer Zeit).
Der Einsatz eines Krisenteams ist nach einer Konfrontation mit einem Eisbären, bei der es nicht zu Verletzten oder gar Schlimmerem bei Mensch oder Tier gekommen ist, unüblich und ließ schon vermuten, dass der Vorfall dramatisch verlaufen ist.
Leider sind nicht genug Details zum genauen Verlauf bekannt, um wirklich zu verstehen, was passiert ist und wie es dazu kommen konnte, dass der Eisbär unbemerkt in die unmittelbare Nähe der Gruppe gelangen konnte. Laut Zeugenaussagen hatte einer der Guides unmittelbar zuvor noch eine Runde gemacht, um die Umgebung auf Eisbären zu prüfen. Überhaupt wurde das Verhalten von allen, die bei dem Vorfall anwesend waren, gelobt und als fehlerfrei beschrieben; so äußern sich auch andere, die Berichte aus erster Hand bekommen haben. Svalbardposten zitiert den Franzosen Terrones mit den Worten: „Als der Bär kam, reagierten die Guides schnell und richtig. Ich glaube, dass sie unser Leben retteten. Ich habe nichts Negatives über ihre Reaktion zu sagen. Sie taten in einer schwierigen Situation alles, was sie konnten.“
Auf einem Foto, das aufgenommen wurde, bevor der Bär auftauchte, ist dieser bereits zu sehen, wie sich allerdings erst später herausstellte. Der Bär befand sich da am Ufer im Tempelfjord, etwa zwei oder drei Kilometer nordöstlich von Fredheim.
Kommentar
Soweit die bekannten Informationen. Gerne wüsste man wirklich genau, wie viele Personen insgesamt vor Ort waren, wie viele Guides darunter waren und vor allem wo die Beteiligten sich zur fraglichen Zeit aufhielten, und zwar metergenau. Um es klar zu sagen: Es geht nicht darum, irgendwem einen Vorwurf zu machen, sondern darum, zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, dass ein Eisbär sich unbemerkt bis auf ganz wenige Meter einer Gruppe näherte. Ohne wirklich genaue Informationen kann man hier jedoch nur spekulieren.
Spekulieren ist nie wirklich gut, sich gar keine Gedanken machen ist aber noch schlechter. Daher folgt nun ein wenig Spekulation.
Wir wissen, dass der Bär vor dem Zwischenfall nordöstlich von Fredheim am Ufer war. Wir wissen auch, dass die fragliche Gruppe sich bei den Hütten von Fredheim aufhielt und ihr Essen vorbereitete, als der Bär plötzlich neben ihr auftauchte.
Die Hütten von Fredheim stehen auf einer Terasse, die ein paar Meter höher liegt als das nahegelegene Ufer. Der Hang, der von dieser Terasse zum Ufer herabführt, ist nur einsehbar, wenn man praktisch direkt daneben steht; steht man etwas weiter weg, ergibt sich ein toter Winkel, also ein nicht einsehbarer Bereich. Die Vermutung liegt nahe, dass der Bär in diesem Bereich gelaufen ist, während er unbemerkt näher kam. Das ist auch naheliegend, da das genau die Route entlang des Ufers ist, wo Bären oft entlang laufen.
Überblicksbild von Fredheim und Umgebung mit möglichen Positionen, um den angenommenen Ablauf zu illustrieren. Der Bär hielt sich etwa bei Position 1 auf, als er fotografiert, aber nicht gesehen wurde (er wurde erst später auf dem Foto entdeckt). Wenn der Bär ungefähr der strichlierten Route gefolgt ist, könnte dies erklären, warum er nicht gesehen wurde, wenn – falls – die Gruppe sich bei Position 3 aufhielt. Alle Positionen sind angenommen, insbesondere Position 3 ist nur vermutet anhand der vorhandenen Schilderung und der Kenntnis des Geländes und der üblichen (nicht aber der konkreten) Abläufe vor Ort.
In der Annahme (nicht Gewissheit), dass es so war, sollte man mitnehmen, dass es immer vor allem auf die Geländebereiche ankommt, die man nicht einsehen kann. Es reicht nicht, dass dort, wo man hinschauen kann, kein Bär ist. Die Frage ist, was dort ist, wo das Gelände den Blick verdeckt.
Ständige Aufmerksamkeit und „was-wäre-wenn-Denken“, gerade im Bezug auf nicht einsehbare Geländebereiche, sind und bleiben Kernaspekte des möglichst sicheren Aufenthalts im Eisbärenland.
Dass der Eisbär in einem vor dem Zwischenfall aufgenommenen Foto sichtbar war, aber nicht wahrgenommen wurde, ist ein Punkt, der den Beteiligten vermutlich zu denken geben wird.
Diese Punkte sollte man mitnehmen, vor allem wenn man zu denen gehört, die in arktischer Natur Verantwortung für andere übernehmen. Aber nicht nur dann, denn es ist immer die Aufmerksamkeit aller vor Ort Anwesenden, die zur Vermeidung gefährlicher Situationen beitragen kann, soll und muss.
Ein abschließender Kommentar: Wenn es so war – und dieser Eindruck ergibt sich aus den vorliegenden Schilderungen – dass eine Person am Boden lag, der Eisbär direkt neben oder sogar mehr oder weniger über ihr stand und ein Guide sich wenige Meter entfernt mit dem Gewehr bereit hielt, um scharf und gezielt zu schießen, dies aber nicht tat, etwa um nicht Personen in der unübersichtlichen Situation durch Schüsse zu gefährden oder / und, um den Eisbären zu schonen, solange der Abschuss nicht absolut unmittelbar zwingend war: Respekt, die Nerven muss man erst mal haben!
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